Rückbezug auf Teil 1…

Arbeitsschritt 1. Situationsdiagnose und allgemeine psychologische Beratung

Ich will versuchen, diese beiden eben kurz umrissenen Tätigkeiten eines Psychotherapeuten anhand von Vergleichen mit anderen Berufsgruppen klarer vorstellbar werden zu lassen. Die erste Tätigkeit erscheint mir vergleichbar mit den Diensten, die ein Ernährungsberater oder ein Gesundheitsberater Ihnen auf dem Gebiet der Ernährung oder der körperlichen Gesundheit zur Verfügung stellen können.

Bei diesen Unterstützungsangeboten hat der jeweilige Experte Wissen darüber, was im Allgemeinen der Gesundheit gut tut, was der neueste Stand der Forschung ist und welche Aspekte auf jeden Fall bedacht werden sollten, damit Sie auf dem Gebiet der Ernährung, der körperlichen oder eben der seelischen Gesundheit möglichst frei von Beeinträchtigungen sind und viel Freude und Kraft für Ihr Leben zur Verfügung haben.

Dieses allgemeine Wissen wird Ihnen nur von Nutzen sein, wenn der Experte in der Lage ist, es auch auf Ihre persönlichen Umstände anzuwenden. Dazu muss er sich Zeit nehmen, Sie und Ihr Leben kennen zu lernen.

Was eine solche Diagnosestellung und Beratung für Sie leisten kann, hängt von dem Anliegen ab, für das Sie Beratung suchen:

  • Sind Sie gesund, wird es darum gehen, wie Sie gesund bleiben und möglichen zukünftigen Problemen vorbeugen können.

  • Sind Sie im Wesentlichen gesund, haben aber gerade einige Schwierigkeiten, geht es darum, wie Sie zu guter Gesundheit zurückfinden und wie Sie sich darüber hinaus stärken können, um dauerhaft gewappnet gegen diese Problematik zu sein.

  • Sind Sie schwerer erkrankt oder stehen vor erheblichen Problemen, können Sie gemeinsam mit dem Berater erarbeiten, was Sie tun können, um weitere Schädigungen zu vermeiden und Kraft zu schöpfen, bis Sie stark und wissend genug sind, um Ihr ursprüngliches Problem zu bewältigen.

    Im Idealfall stärkt und immunisiert Sie Ihre veränderte Lebensweise auch gegen künftige andere Schwierigkeiten und schenkt Ihnen über die Lösung des konkreten Problems hinaus neue Kraft und Lebensfreude.

In einigen Fällen reicht den Klienten eine eingehende Diagnosestellung und Beratung bereits aus, dass sie Zuversicht fassen, die notwendigen Veränderungen ohne weitere Unterstüzung zu bewältigen. Das finde ich wunderbar, denn wichtige Ziele meiner Arbeit sind Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit.

Arbeitsschritt 2. Veränderungsarbeit

Meistens fallen uns wichtige Veränderungen schwer. Anders betrachtet, haben wir die Veränderungen, die uns leicht fallen, schon vor langer Zeit umgesetzt, so dass jetzt nur noch die schwierigen übrig geblieben sind. Wenn wir leiden oder nicht voran kommen, liegt es selten an mangelndem Wissen sondern fast immer daran, dass die notwendige persönliche Veränderung zu den schwersten Aufgaben gehört, denen wir uns im Leben stellen.

Es ist so leicht gesagt: Sei doch offener, mutiger, selbstbewusster, einfühlsamer oder unempfindlicher! Warum sind wir nicht bereits so, dass wir glücklich sind? Weil der Veränderung Angst im Wege steht, weil unverarbeitete Trauer aufbrechen würde, wenn wir diesen Weg beschreiten, weil wir die Erfahrung geliebt zu werden und bei Schwierigkeiten aufgefangen zu werden einfach noch nie gemacht haben… Bei Menschen, die eine Psychotherapie beginnen, stehen riesiger Lebensmut und Lebenswille gegenüber riesiger Angst und negativen Erfahrungen. Eine zuverlässige und wertschätzende Begleitung hilft, sich in neue Welten vor zu wagen.

Dies ist die Therapiearbeit im engeren Sinne des Wortes. In ihrer Intensität ist sie für viele Menschen mit nichts vergleichbar, außer mit einer ganz und gar ehrlichen, rückhaltlosen Zweierbeziehung.

Abgesehen von dieser hohen emotionalen Intensität, die mit der Begegnung mit dem eigenen Ich einhergeht, lässt sich die Art und Weise der Zusammenarbeit vielleicht ein Stück vergleichen mit der Arbeit mit einem persönlichen Coach beim Sport oder etwa mit der Arbeit mit einem persönlichen Musik- oder Gesangslehrer. Coaching heißt: Sie leisten die eigentliche Arbeit, aber Sie sind nicht allein, ein Experte ist mit seiner ganzen Aufmerksamkeit an Ihrer Seite.

  • Sie als Klient geben die Arbeitsziele vor. Der Coach kann Ihnen sagen, welche Erwartungen nach seiner Erfahrung realistisch sein könnten, oder Ziele vorschlagen, die Ihnen bisher gar nicht eingefallen waren. Die Entscheidung zur Arbeit kommt von Ihnen.

  • Der Experte gibt Ihnen Beobachtungen darüber, wie er Sie erlebt, und macht Vorschläge, was Sie versuchen könnten, um Ihren Zielen näher zu kommen.

  • Sie beide suchen gemeinsam nach neuen Ideen, wie Sie Ihr Verhalten ändern können. Sie testen diese Ideen in den Stunden der gemeinsamen Arbeit aus.

    Das Besondere im Falle der Psychotherapie ist, dass es nicht nur um das äußerliche Verhalten geht, sondern auch darum, wie sie denken, fühlen oder wahrnehmen.

  • Sie beginnen, sich zu verändern. Wenn Sie nach der Stunde mit dem Coach in Ihr eigenes Leben zurückkehren, machen Sie durch diese Veränderungen neue Erfahrungen. Einige davon bringen Sie in die weitere Arbeit mit dem Coach ein. Nur indem Sie Ihre neuen Erkenntnisse und Fähigkeiten möglichst viel auch außerhalb der Übungsstunden einsetzen, werden Sie den höchsten Nutzen aus der Zusammenarbeit ziehen.

    Im Sport und in der Musik gibt es viele Abläufe, die sich durch bloßes Wiederholen aneignen lassen. Ihre geistigen Prozesse, um die es in der Psychotherapie geht, sind hingegen auf die gesamte Realität gerichtet und viel komplexer und dynamischer als das. Dennoch hilft auch hier Beharrlichkeit und die Bereitschaft, immer wieder einen neuen Anlauf zu wagen.

  • Sie müssen arbeiten, nicht der Coach. Das ist eine gänzlich andere Situation, als wenn Sie wegen einer körperlichen Erkankung zum Arzt gehen, der Sie mittels Medikamenten oder eines chirurgischen Eingriffs gesund macht, ohne dass Sie allzu viel dazu leisten müssen.

    In der Psychotherapie müssen Sie selbst aktiv sein, um einen Nutzen zu erzielen. Sie müssen eventuell Themen besprechen, die Sie sonst eher vermeiden oder schon ganz verdrängt haben, oder sich unangenehmen Gefühlen stellen, um etwas Neues für sich zu erreichen. Sie haben dabei einen wertschätzenden Begleiter; der Therapeut steht immer auf Ihrer Seite, berät, gibt Ihnen seine Beobachtungen und stützt Sie, wenn Sie der Mut verlässt.

Sich gesund machen können nur Sie selbst. Dazu gehört auch, dass Sie sich so viel gute Unterstützung holen, wie sie brauchen.

Eine offene und vertrauensvolle Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Therapeuten ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren der Therapie. Lesen Sie mehr darüber in dem verlinkten Artikel.